Hildegard Knef
Der Tag holt Luft
Auf dem Boden liegt die Zeitung, leer gelesen
Hinterließ nur Schales, gar nichts, das mich freut;
Teilnahmslos das Schwarze hinter Fenstern
Vier schlug's irgendwo, dann viertel und auch halb

In unbekannte Richtung laufen Nerven
Zwischen Hals und einem Brustbein tickt die Nacht;
Anspruchslos das Graue hinter Fenstern
Fünf schlug's irgendwo, dann sieben und auch acht

Der Tag holt Luft und knackt mit den Gelenken
Vorm Horizont klebt der Antennenwald
Die Krähen reden ohne Konsonanten
Und überm Kaffeefilter wird der junge Morgen alt

Zementblock Langeweile hockt auf Straßen
Auf Zehenspitzen hüpft betulich uns're Pflicht;
Im Spiegel seh' ich Fahles, ganz am Rande
Dass ich das bin beschwören möcht' ich's nicht

Ich konstatiere 110 zu 80 Blutdruck
Denk' an Vitamine, Krieg und auch Diät;
Die Freude ging mir irgendwann verloren
Und als ich's merkte, war's leider schon zu spät