Die Ärzte
Das allererste Radio-Interview
[Interview Teil 1]

[Helmut Lehnert:] Die Ärzte, das sind drei junge Musiker, sind 19 Jahre alt und die werden in Berliner Underground-Kreisen zurzeit hoch gehandelt, diese Drei-Mann-Band. Die Kritik überschlägt sich. Monika Döring zum Beispiel, die Loft-Veranstalterin, erklärte sie unlängst in einem Telefongespräch mit mir zu ihren absoluten Favoriten. Ihr Urteil: "Die Ärzte sind das Beste, was es zur Zeit auf dem internationalen Musikmarkt gibt." Das hat mich ein bisschen geschockt, ich find's ein bisschen übertrieben. Aber witzig sind sie vor allen Dingen. Und, äh, früher waren diese drei, äh, Punks, gründeten Soilent Grün und danach dann Die Ärzte und ich hab’ sie gefragt, warum sie vom Punk zum Pop übergegangen sind.

[Farin Urlaub:] Wir haben uns zusammengefunden halt, um Die Ärzte zu gründen. Das war, glaub' ich, unsere Bestimmung. Ich meine, das steht ja allet in dem großen Buch geschrieben, dass eines Tages jene Gruppe kommen wird. Nicht umsonst sind wir drei, die Weisen übrigens, Morgenland, nicht wahr, stimmt ja wieder alles. Und, äh, wir werden halt die Welt missionieren.

[Bela B.:] Deswegen gab's einige Schwierigkeiten, weil ... Also ich war ja bei den Punkrockern immer gut angesehen, hab’ immer viel Bier getrunken, aber der, der Jan, der trinkt nur Milch, und das gab irgendwie Probleme, und er konnte nicht ewig als glaubwürdiger Punkrocker weitermachen. Also da guckten schon einige schief. Der spuckte auch nie ins Publikum, so wie wir, der hat sich da immer irgendwie geweigert, so. Das war daneben irgendwie. Wir mussten also was, was machen, wo, wo die Fans uns bespucken und nicht, nicht andersrum. Darum Die Ärzte.
Ja, das war ... Absolute Härte war das oberste Gebot zur Entstehung des Namens.

[FU:] Wir wollten keine Kompromisse eingehen, was die Wahl des Namens angeht.

[HL:] Und sie gehen auch keine Kompromisse ein, wenn sie interviewt werden. Das habt ihr gehört. Ähm, auf ihrer ersten EP, sie haben eine kleine EP gemacht, sind vier Stücke drauf, zwei werden wir davon hören, da haben sie einen Song gespielt, der heißt "Grace Kelly", und, äh, den haben sie also Grace Kelly gewidmet und da hab' ich sie gefragt: Was haben eigentlich 19-Jährige für eine Beziehung zu Grace Kelly?

[FU:] Grace Kelly hat mein Leben schon immer beeinflusst. Als ick in der Wiege lag, liefen die Filme von ihr, und ick hab' einfach nur jeweint, weil sie so schön ist.

[BB:] Also, ursprünglich, ursprünglich sollte das Lied gar nicht "Grace Kelly" heißen. Wir wollten nur über den Tod von irgendeinem berühmten Rockstar singen. Und dann haben wir, erst haben wir Elvis genommen und, äh, ja, und das ging nicht, weil das passte nicht von der, äh, Reimstruktur nicht so gut.

[FU:] [?] ... homosexuelle Beziehung ... [?]

[BB:] Ja, ja, das wollten wir nicht, wir wollten ja im Radio gespielt werden. Und, äh, ja, und dann, dann ist also Romy Schneider gestorben und "Romy Schneider ist tot", das hat sich ... das ging irgendwie auch nicht und, äh, ja, und dann ist kurze Zeit später Grace Kelly gestorben und gab uns so, so die Gelegenheit, über Grace Kelly Romy Schneider Tribut zu zollen.

[HL:] Dies ist der Song. "Grace Kelly", Die Ärzte.

[Grace Kelly]

[Strophe 1]
Es war in Monaco letztes Jahr
Ich strich ihr zärtlich übers Haar
Sie sah auf die Uhr, dann sah sie mich an
"Es ist schon spät, ich muss zurück zu meinem Mann!"
[Pre-Refrain]
Und ich ließ sie geh'n
Warum hab' ich sie gehen lassen?
Dafür werde ich mich immer hassen

[Refrain]
Grace Kelly, pass auf, in der Kurve lauert der Tod (Grace Kelly ist tot, Grace Kelly ist tot, Grace Kelly ist tot)
Grace Kelly, pass auf, in der Kurve lauert der Tod (Grace Kelly ist tot, Grace Kelly ist tot, Grace Kelly ist tot)

[Strophe 2]
So fuhr sie davon und sie war so schön
Ich hab' sie als Letzter noch lebend geseh'n
Sie winkte noch einmal mit der linken Hand
Bevor sie um die nächste Kurve verschwand

[Pre-Refrain]
Jetzt war alles zu spät
Grace Kelly, verlass mich nicht
Wie soll ich leben ohne dich?

[Refrain]
Grace Kelly, pass auf, in der Kurve lauert der Tod (Grace Kelly ist tot, Grace Kelly ist tot, Grace Kelly ist tot, Grace Kelly ist tot)
Grace Kelly, pass auf, in der Kurve lauert der Tod (Grace Kelly ist tot, Grace Kelly ist tot, Grace Kelly ist tot, Grace Kelly ist ...)

[Bridge]
Wir hatten schon Pläne wegen einer Scheidung
Doch am nächsten Tag las ich's in der Zeitung
Meine Welt stürzte ein wie ein Kartenhaus
Ich brach auf der Stelle in Tränen aus
[Pre-Refrain]
Und das Volk weinte mit mir
Warum hat Gott das zugelassen?
Ich kann es immer noch nicht fassen

[Refrain]
Grace Kelly ist tot, Grace Kelly ist tot, Grace Kelly ist tot (Grace Kelly ist tot)
Grace Kelly ist tot, Grace Kelly ist tot, Grace Kelly ist tot (Grace Kelly ist tot)

[Interview Teil 2]

[HL:] Ja, Grace Kelly ist tot.
(Sie ist tot)
Tot, tot,
(Grace Kelly ist tot, Grace Kelly ist tot, Grace Kelly ist tot, Grace Kelly ist tot)
und auch Die Ärzte werden sie nicht wieder lebendig machen.
(Sie ist tot (Grace Kelly ist tot, Grace Kelly ist tot, Grace Kelly ist tot)
Grace Kelly ist tot)
Die Songs der Ärzte sind meist bis zur dritten Strophe eigentlich ganz lieb und nett und witzig und zum Schluss werden sie dann ganz schön makaber. Bei "Anneliese Schmidt" zum Beispiel, einer der vier Songs auf der kleinen EP, spielt ein kleines Mädchen im Garten mit den Ameisen und bringt der Mutter Blumen in die Küche. So weit, so lieblich, aber dann wird sie aufgefressen. Warum dieser unappetitliche Schluss?

[BB:] Also die Liebe geht durch den Magen, ne, und da haben wir uns gedacht, so, dass wir was über lukullische Genüsse machen und, äh, weil ... also wir dachten, wir wollen nicht so kindisch sein und ’ne Ente Anneliese Schmidt nennen. Da haben wir dann lieber ... waren wir ein bisschen real und haben also ein Mädchen Anneliese Schmidt genannt.

[HL:] Aber ihr müsst sie ja nicht unbedingt auffressen am Schluss.

[Sahnie:] Warum nicht?
[BB:] Ja, das ... Darum ging’s eigentlich nur. Der, der Rest ist nur so Beiwerk, weißt du, so wie Spinat zu Ei. So ungefähr ist auch das Lied, Spinat mit Ei. Außerdem gibt das Lied mir immer wieder, äh, Gelegenheit, äh, meine Gitarrenkünste unter Beweis zu stellen im Mittelteil des Liedes. Möchte also jetzt die Message irgendwie dann rauslassen, dass Jimi Hendrix reinkarniert ist in meiner Person.

[HL:] Wie lang hast du geübt bisher?

[FU:] Gar nicht, das ist der Groove in ihm.

[BB:] Das brauchte ich nicht. Das ist es ja grad, der ist in, in mir wiedergeboren. Irgendwann wachte ich morgens auf und guckte in den Spiegel und hab' mich gewundert, dass ich so weiß bin, obwohl ich doch eigentlich Locken hätte haben müssen und ’n Bart ...

[FU:] Dicke Lippen.

[BB:] ... und dicke Lippen und ... Ja, und dann war ich Jimi Hendrix. Mit leicht verändertem Äußeren, aber das ist so. Ich nenn' mich bloß nicht so, weil ich will's noch mal schaffen.

[HL:] Hä, das ist ja bescheuert.

[Alle:] *Lachen*

[HL:] Ja, ich finde das wirklich bescheuert, aber ich find's auch sehr witzig und, äh, sie haben noch einen Song drauf, zu dem ich ihnen auch eine Frage gestellt habe, nämlich, ähm, ein Lied zu einem Teddybär, was eigentlich ja 19-Jährige nicht mehr haben. Ich hab’ sie gefragt, wie dieses Lied mit dem Teddybär entstanden ist.

[BB:] Das ist die große Lüge meines Lebens. Ich hab' nie einen Teddybär besessen. Nur so 'nen lila, äh, lila Struppi-Stoffhund, der hieß Struppi, witzigerweise, und da hab' ich immer abends im Bett gelegen und mit dem Raumschiff gespielt. Und da haben wir dann immer so ... *Lachen* Da gab's so Killer-Elefanten, die sind durchs All geflogen und, äh, die haben uns mit ihren Rüsseln versucht abzuschießen, aber ich war jede Nacht der Sieger. Das ging so zwei Näch-- zwei, zwei Jahre, jede Nacht und dann *Lachen* hab' ich, hab' ich irgendwann mal 'ne Säge gefunden und Struppi den Kopf abgesägt und da bin ich dann drei Jahre später, äh, darauf gekommen, einen Teddybär-Text zu machen. Das ist doch logisch. Mann, muss ich hier immer Witze erzählen?

[Alle:] *Lachen*

[HL:] Die Ärzte, "Teddybär".

[Teddybär]

[Refrain]
Ohohohohohoho - mein Teddy
Ohohohohohoho - mein Teddy
Ohohohohohoho - mein Teddy
Oh-oh-oh

[Strophe 1]
Ich ging eines Tages in mein Zimmer
Er saß da an der gleichen Stelle wie immer
Früher waren wir die allerbesten Freunde
Doch das ist vorbei, ich ließ ihn allein

[Pre-Refrain]
Knopfaugen blicken mich traurig an
Knopfaugen blicken mich traurig an
Ich liebte dich als Junge - ich vergaß dich als Mann

[Refrain]
Ohohohohohoho - mein Teddy
Ohohohohohoho - mein Teddy
Ohohohohohoho - mein Teddy
Oh-oh-oh

[Strophe 2]
Oh, mein Teddy, kannst du mir verzeih'n?
Erwachsen sein heißt Treue verachten
Du bist hier eingestaubt
Ich habe dir die besten Jahre des Lebens geraubt

[Strophe 3]
Oh, mein Teddy, kannst du mir verzeih'n?
Erwachsen sein heißt Treue verachten
Du gabst mir alles, ich gab dich den Spinnen, oh, oh, oh
Oh mein Teddy, kannst du mir verzeih'n?

[Pre-Refrain]
Knopfaugen blicken mich traurig an
Knopfaugen blicken mich traurig an
Ich liebte dich als Junge - ich vergaß dich als Mann

[Refrain]
Ohohohohohoho - mein Teddy
Ohohohohohoho - mein Teddy

[Outro]
Oh mein Teddy, kannst du mir verzeih'n? (Ohohohohohoho - mein Teddy)
Oh, oh, oh, oh mein Teddy, kannst du mir verzeih'n? (Oh-oh-oh)