Johann Wolfgang von Goethe
Willkommen und Abschied (Spätfassung 1789)
[Strophe I]:
Es schlug mein Herz, geschwind, zu Pferde!
Es war getan fast eh gedacht
Der Abend wiegte schon die Erde
Und an den Bergen hing die Nacht;
Schon stand im Nebelkleid die Eiche
Ein aufgetürmter Riese, da
Wo Finsternis aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah

[Strophe II]:
Der Mond von einem Wolkenhügel
Sah kläglich aus dem Duft hervor
Die Winde schwangen leise Flügel
Umsausten schauerlich mein Ohr;
Die Nacht schuf tausend Ungeheuer
Doch frisch und fröhlich war mein Mut:
In meinen Adern welches Feuer!
In meinem Herzen welche Glut!

[Strophe III]:
Dich sah ich, und die milde Freude
Floß von dem süßen Blick auf mich;
Ganz war mein Herz an deiner Seite
Und jeder Atemzug für dich
Ein rosenfarbnes Frühlingswetter
Umgab das liebliche Gesicht
Und Zärtlichkeit für mich - ihr Götter!
Ich hofft es, ich verdient es nicht!
[Strophe IV]:
Doch ach, schon mit der Morgensonne
Verengt der Abschied mir das Herz:
In deinen Küssen welche Wonne!
In deinem Auge welcher Schmerz!
Ich ging, du standst und sahst zur Erden
Und sahst mir nach mit nassem Blick:
Und doch, welch Glück, geliebt zu werden!
Und lieben, Götter, welch ein Glück