Reinhard Mey
Die Mauern meiner Zeit
Erinnerungen verblassen und des Tages Ruhm vergeht
Die Spuren, die wir heute zieh'n, sind morgen schon verweht
Doch in uns ist die Sehnsucht, dass etwas von uns bleibt
Ein Fußabdruck am Ufer, eh' der Strom uns weitertreibt
Nur ein Graffiti, das sich von der grauen Wand abhebt
So wie ein Schrei, der sagen will: "Schaut her, ich hab gelebt!"
So nehm ich, was an Mut mir bleibt, und in der Dunkelheit
Sprühe ich das Wort "Hoffnung" auf die Mauern meiner Zeit

Die Herzen sind verschlossen, die Blicke leer und kalt
Brüderlichkeit kapituliert vor Zwietracht und Gewalt
Und da ist so viel Not und Sorge gleich vor uns'rer Tür
Und wenn wir ein Kind lächeln seh'n, so weinen zehn dafür
Der Himmel hat sich abgewandt, die Zuversicht versiegt
Manchmal ist's, als ob alle Last auf meinen Schultern liegt
Doch tief aus meiner Ohnmacht und aus meiner Traurigkeit
Sprühe ich das Wort "Hoffnung" auf die Mauern meiner Zeit

Um uns regiert der Wahnsinn und um uns steigt die Flut
Die Welt geht aus den Fugen und ich rede noch von Mut
Wir irren in der Finsternis und doch ist da ein Licht
Ein Widerschein von Menschlichkeit, ich überseh' ihn nicht
Und wenn auf meinem Stein sich frech das Unkraut wiegt im Wind
Die Worte "Ewig unvergessen" überwuchert sind
Bleibt zwischen den Parolen von Haß und Bitterkeit
Vielleicht auch das Wort "Hoffnung" auf den Mauern jener Zeit