Reinhard Mey
Frühlingslied
Ich liebe jenen Tag, wo ich beim Aufsteh'n deutlich spür':
Wenn du die Tür jetzt aufmachst, steht der Frühling vor der Tür
Mit Stürmen und mit Drängen kam er plötzlich über Nacht
Und nun weht hier sein blaues Band und zwar mit aller Macht. Und dann erwacht das Tier in mir, das drängt mich aus dem Haus Und sagt zu mir: „Eh, Alter, echt, der Winterschlaf ist aus.“

Der Bauer spannt die Rößlein an, der Kuckuck pfeift wie wild. Der Krokus sprießt, der Regenwurm frohlockt, die Luft ist mild. Ich drеh' die Nase in den Wind, nеhm' einen tiefen Zug
Von diesem Duft von Erde krieg' ich einfach nicht genug. Und weiß, wenn ich zum Mittag eine Frühlingsrolle kauf':
Der Lenz ist da, denn überall reißt man die Straßen auf

Die Rentner sind zurückgekehrt zu ihrer Bank im Park
Die Kinderwagen schwärmen aus, ich fühl' mich bärenstark
Die Taube turtelt, und der Osterhase springt ins Feld
Der Buntspecht balzt, der Pfau schlägt Rad, der Preis für Heizöl fällt. Und mich zieht's jetzt mit Urgewalt zurück in meinen Bau
Und dort, nach gutem alten Brauch, drücke ich meine Frau