Reinhard Mey
Trilogie auf Frau Pohl
Teil 1 --- Hymne auf Frau Pohl

Im Zimmer ist Mief
Die Türe hängt schief
Es zieht mörderlich durchs Fenster
Und dann gibt's Gespenster
Die nachts hier tanzen
Und ein paar Wanzen
In den zerschlissenen Betten
Die Tapete ist nicht mehr zu retten
Hat Risse schon an allen Enden
Liegt allein an den schiefen Wänden. Drei Dielеn liegen noch im Zimmer
Mit zwеi'n wär' es weitaus schlimmer. Dafür hat der Tisch nur zwei Beine –
Na ja, besser als keine
Oh, du himmlisch gemütliche Wohnstatt Für achtzig D-Mark im Monat
Alles inklusive, außer der Liebe!
Denn Damenbesuch ist bei mir nicht drin, Hier bestimmt eine keusche Vermieterin. Auf Ihr Wohl!
Alte, fette Frau Pohl!


Teil 2 --- Gespräch mit Frau Pohl

Also, liebe Frau Pohl, nu komm'n Se mal rein
Komm'n Se nich' an den Tisch, der hat nur noch ein Bein! Sie meinen, es war einfach grauenvoll
Was hier gestern abend passiert sein soll:
Sie sagen, ich hätte da drei Herrn zu Besuch
Und aus meinem Zimmer drang Schnapsgeruch
Dann hätten wir was über Sie gesungen
Und dann hätt's wie zerschmetternde Möbel geklungen, Als ob Schränke zerbersten und Fenster zerschellen!
Frau Pohl, das kann ich mir gar nicht vorstellen!
Sie sagen, dann seien wir zu Ihnen gekommen
Und hätten uns erst richtig danebenbenommen?
Sie sagen, Herr Ofen goss im Delirium
Drei Flaschen Korn ins Aquarium
Herr Schobert habe, wie Sie sagen
Die letzten Dielen aus meinem Zimmer getragen
Und habe damit, als es kühl ward zur Nacht
Ein Feuerchen auf Ihrem Teppich gemacht
Mit den Worten: „Ach, die Alte, die wird's schon erlauben!“ Frau Pohl, das kann ich gar nicht glauben
Beim Abschied viel später, im Morgengraun, Erlegte Herr Wader den Gartenzaun
Und die anderen seien auch erst gewichen, Nachdem sie Ihre Katze grün angestrichen! Sie meinen, die Herren wären wohl nicht
So ganz der richtige Umgang für mich
Bei meinem Mietrückstand und bei dem Schaden
Da sollt' ich sie heute abend nicht schon wieder einladen? Na schön, ich will Ihnen nicht mehr böse sein
Ich lad Sie auf ein Glas Alka Seltzer ein ...
Auf Ihr Wohl
Hochverehrte Frau Pohl!

Teil 3 --- Aussöhnung mit Frau Pohl

Es klopft an meiner Türe um Mitternacht:
Das hält meine Tür natürlich nicht aus und zerkracht – „Komm'n Se rein, Frau Pohl, Vorsicht bitte sehr!
Hier gibt's nämlich jetzt gar keine Dielen mehr
Und man ist in diesen heiligen Hallen
Eh' man sich's versieht, durch den Fußboden gefallen. Was bringt mir die Ehre Ihrer Visite?
Probier'n Sie's mal wieder wegen der Miete?
Nein! Wie Sie so von einem auf's andre Bein wanken, Da ahn' ich's schon, Sie woll'n sich bei mir bedanken
Dafür, dass meine drei Freunde und ich
In Ihrer Abwesenheit fein säuberlich
Den Flurschaden und das Kleinholz wegräumten Von unserer Feier! Sie glaubten, Sie träumten
Als Sie die Betonmischmaschine fanden
Wo gestern noch Ihre Rosen standen!
Herr Wader hat sich so geniert
Und darum Ihr Wohnzimmer neu zementiert;
Und zum Zeichen, wie sehr er die Bombe bedauert, Hat er gleich noch zwei Wände dazu gemauert
Die machen jetzt aus Ihrem Wohnzimmer drei!
Ein Tip unter Freunden: Vermieten Sie zwei!
Der Schnaps im Aquarium ist neutralisiert
Ihr Fisch ist wieder nüchtern, und nur wenig lädiert; Auch Ihre Katze können Sie jetzt wieder anfassen – Wir haben sie chemisch reinigen lassen
Aber um alles so schön zu gestalten, Mussten wir uns an Ihren Sparstrumpf halten. Doch nichts sollte Ihnen zu teuer sein
Für so ein gemütliches Eigenheim!
Auf Ihr Wohl, hochverehrte Frau Pohl!“