Reinhard Mey
Fünf Gartennelken
Fünf Gartennelken steh‘n vor mir auf meinem Zimmertisch
Sie steh‘n in einem Zahnputzglas, schon nicht mehr so ganz frisch
Ein Kind hat sie mir gestern nach der Vorstellung gebracht
Ich hab‘ sie mit mir rumgetragen, eine ganze Nacht

Mein Zimmer gibt‘s in dem Hotel vierhundertzwanzigmal
Und alle sind gleich ordentlich, gleich langweilig, gleich kahl
In allen sind Bild, Lampe, Tisch und Bett gleich anzusehen
Es gibt nur eins das anders ist: Das Zimmer Hundertzehn!

Da steht in einem Zahnputzglas ein kleiner Nelkenstrauß
Der macht daraus für mich ein Stück Zuhaus‘ fern von zu Haus
Der leuchtet für mich auf dem laus‘gen Tisch, auf dem er steht
Wie das Lächeln eines Freundes, wie ein ganzes Blumenbeet!

Ich dank‘ dem Kind mit ein paar Zeil‘n, nun weiß ich nicht wohin
Ich hab‘ den Absender verlor‘n, verschusselt, wie ich bin
Heut' geht‘s in eine and're Stadt, ich nehm‘ mein Zeug, zieh‘ aus:
Ein Koffer, zwei Gitarren und ein welker Blumenstrauß