Reinhard Mey
Das Lied von der Zeitung
In jedem Kiosk an der Ecke
Auf Straßen, durch den Zeitungsmann
Am Bahnhof jeder Stadt und Strecke
Preist man die neueste Zeitung an!
Kommt Leute, kauft für zwanzig Pfennig
Kommt Leute, kauft für kleines Geld
Kommt Leute, kauft, es kostet wenig
Das Neuste aus der ganzen Welt
Das Neuste aus der ganzen Welt!

Die Unbekannte aus der Seine –
Der schwarze Freitag von New York –
Die Filmkarriere der Marlene –
Der Preis für Gold, Öl, Stahl und Kork –
Dazu der Tod des Präsidenten –
Der Schah und seine Hochzeitsnacht –
Und ab und zu auch Zeitungsenten –
Hat alles Schlagzeilen gemacht
Hat alles Schlagzeilen gemacht!

Man liest begierig nach dem Aufsteh'n
Beim Frühstück oder auch im Bad
Wie heut die Börsenkurse ausseh'n
Und wer grad wen ermordet hat!
Wie viele Autos Menschen killen
Und was der Kanzler grade meint
Wie viele Damen sich enthüllen
Und ob die Sonne morgen scheint
Und ob die Sonne morgen scheint!
Mit Marmelade auf den Lippen
Liest man das Neueste aus Nahost
Und zu Kaffee und frischen Schrippen
Den Kriegsbericht der Morgenpost!
Schon wieder achtunddreißig Tote
Und hundertsechzig sind vermisst –
Jedoch die meisten waren Rote
Und weltanschaulich Kommunist!

So liest man täglich die Berichte
Und alle sind ne Sensation!
Man sieht das Leid der Weltgeschichte
Doch sagt mir, wer begreift das schon?
Kommt Leute, kauft für zwanzig Pfennig
Kommt Leute, kauft für kleines Geld
Kommt Leute, kauft, es kostet wenig
Das Neuste aus der ganzen Welt
Das Neuste aus der ganzen Welt!