Heinrich Heine
Zeitgedichte - Kapitel 21
                                                         21.
                                Lobgesänge auf König Ludwig.
                                                          I.

    Das ist Herr Ludwig von Baierland,
Desgleichen giebt es Wenig';
Das Volk der Bavaren verehrt in ihm
Den angestammelten König.

    Er liebt die Kunst, und die schönsten Fraun
Die lässt er porträtieren;
Er geht in diesem gemalten Serail
Als Kunst-Eunuch spazieren.

    Bei Regensburg lässt er erbaun
Eine marmorne Schädelstätte,
Und er hat höchstselbst für jeden Kopf
Verfertigt die Etikette.

     »Walhallagenossen,« ein Meisterwerk,
Worin er jedweden Mannes
Verdienste, Charakter und Thaten gerühmt,
Von Teut bis Schinderhannes.

    Nur Luther, der Dickkopf fehlt in Walhall,
Und es feiert ihn nicht der Walhall-Wisch,
In Naturaliensammlungen fehlt
Oft unter den Fischen der Walfisch.

    Herr Ludwig ist ein großer Poet,
Und singt er, so stürzt Apollo
Vor ihm auf die Knie und bittet und fleht:
»Halt ein! ich werde sonst toll, o!«

     Herr Ludwig ist ein muthiger Held,
Wie Otto, das Kind, sein Söhnchen;
Der kriegte den Durchfall zu Athen,
Und hat dort besudelt sein Thrönchen.

    Stirbt einst Herr Ludwig, so kanonisiert
Zu Rom ihn der heilige Vater –
Die Glorie passt für ein solches Gesicht
Wie Manschetten für unseren Kater!

    Sobald auch die Affen und Känguruhs
Zum Christenthum sich bekehren,
Sie werden gewiß Sankt Ludewig
Als Schutzpatron verehren.


                                                         II.

    Herr Ludewig von Baierland
Sprach seufzend zu sich selber:
»Der Sommer weicht, der Winter naht,
Das Laub wird immer gelber.

    »Der Schelling und der Cornelius,
Sie mögen von dannen wandern:
Dem Einen erlosch im Kopf die Vernunft,
Die Phantasie dem Andern.

    »Doch daß man aus meiner Krone stahl
Die beste Perle, daß man
Mir meinen Turnkunstmeister geraubt,
Das Menschenjuwel, den Maßmann –

    »Das hat mich gebeugt, Das hat mich geknickt,
Das hat mir die Seele zerschmettert:
Mir fehlt jetzt der Mann, der in seiner Kunst
Den höchsten Pfahl erklettert.

    »Ich sehe die kurzen Beinchen nicht mehr,
Nicht mehr die platte Nase;
Er schlug wie ein Pudel frisch-fromm-fröhlich-frei
Die Purzelbäume im Grase.

    »Nur Altdeutsch verstand er, der Patriot,
Nur Jakob-Grimmisch und Zeunisch;
Fremdwörter blieben ihm immer fremd,
Griechisch zumal und Lateinisch.

    »Er hat, ein vaterländisch Gemüth,
Nur Eichelkaffe getrunken,
Franzosen fraß er und Limburger Käs,
Nach letzterm hat er gestunken.

    »O, Schwager! gieb mir den Maßmann zurück!
Denn unter den Gesichtern
Ist sein Gesicht, was ich selber bin
Als Dichter unter den Dichtern.

    »O Schwager! behalt den Cornelius,
Auch Schelling, (daß du den Rückert
Behalten kannst, versteht sich von selbst) –
Wenn nur der Maßmann zurückkehrt!

    »O, Schwager! begnüge dich mit dem Ruhm,
Daß du mich verdunkelt heute;
Ich, der in Deutschland der Erste war,
Ich bin nur noch der Zweite«...


                                                         III.

    Zu München in der Schloßkapell'
Steht eine schöne Madonne;
Sie trägt in den Armen ihr Jesulein,
Der Welt und des Himmels Wonne.

    Als Ludewig von Baierland
Das Heiligenbild erblicket,
Da kniete er nieder andachtsvoll
Und stotterte, selig verzücket:

    »Maria, Himmelskönigin,
Du Fürstin sonder Mängel!
Aus Heil'gen besteht dein Hofgesind
Und deine Diener sind Engel.

    »Geflügelte Pagen warten dir auf,
Sie flechten dir Blumen und Bänder
Ins goldene Haar, sie tragen dir nach
Die Schleppe deiner Gewänder.

    »Maria, reiner Morgenstern,
Du Lilje sonder Makel,
Du hast so manches Wunder gethan,
So manches fromme Mirakel –

    »O, laß aus deiner Gnaden Born
Auch mir ein Tröpflein gleiten!
Gieb mir ein Zeichen deiner Huld
Der hochgebenedeiten!« –

    Die Mutter Gottes bewegt sich alsbald,
Sichtbar bewegt sich ihr Mündchen,
Sie schüttelt ungeduldig das Haupt
Und spricht zu ihrem Kindchen:

    »Es ist ein Glück, daß ich auf dem Arm
Dich trage und nicht mehr im Bauche,
Ein Glück, dass ich vor dem Versehn
Mich nicht mehr zu fürchten brauche.

    »Hätt' ich in meiner Schwangerschaft
Erblickt den hasslichen Thoren,
Ich hätte gewiss einen Wechselbalg
Statt eines Gottes geboren.«