Heinrich Heine
Zeitgedichte - Kapitel 18
                                                         18.
                                        Der Kaiser von China

    Mein Vater war ein trockner Taps,
Ein nüchterner Duckmäuser;
Ich aber trinke meinen Schnaps
Und bin ein großer Kaiser.

    Das ist ein Zaubertrank! Ich hab's
Entdeckt in meinem Gemüthe:
Sobald ich getrunken meinen Schnaps,
Steht China ganz in Blüthe.

    Das Reich der Mitte verwandelt sich dann
In einen Blumenanger,
Ich selber werde fast ein Mann,
Und meine Frau wird schwanger.

    Allüberall ist Überfluss
Und es gesunden die Kranken;
Mein Hofweltweiser Konfusius
Bekömmt die klarsten Gedanken.

    Der Pumpernickel des Soldats
Wird Mandelkuchen – O Freude!
Und alle Lumpen meines Staats
Spazieren in Sammt und Seide.

    Die Mandarinenritterschaft,
Die invaliden Köpfe,
Gewinnen wieder Jugendkraft
Und schütteln ihre Zöpfe.

    Die große Pagode, Symbol und Hort
Des Glaubens, ist fertig geworden;
Die letzten Juden taufen sich dort
Und kriegen den Drachen-Orden.

    Es schwindet der Geist der Revolution
Und es rufen die edelsten Mantschu:
»Wir wollen keine Konstitution,
Wir wollen den Stock, den Kantschu!«

Wohl haben die Schüler Aeskulap's
Das Trinken mir widerrathen,
Ich aber trinke meinen Schnaps
Zum Besten meiner Staaten.

Und noch einen Schnaps, und noch einen Schnaps,
Das schmeckt wie lauter Manna!
Mein Volk ist glücklich, hat's auch den Raps,
Und jubelt: Hosianna!