Heinrich Heine
Atta Troll - Kapitel 13
                                             Kaput XI.

    Wie verschlafne Bajaderen
Schaun die Berge, stehen fröstelnd
In den weißen Nebelhemden,
Die der Morgenwind bewegt.

    Doch sie werden bald ermuntert
Von dem Sonnengott, er streift
Ihnen ab die letzte Hülle
Und bestrahlt die nackte Schönheit!

    In der Morgenfrühe war ich
Mit Laskaro ausgezogen
Auf die Bärenjagd. Um Mittag
Kamen wir zum Pont-d'Espagne.

    So geheißen ist die Brücke,
Die aus Frankreich führt nach Spanien,
Nach dem Land der Westbarbaren,
Die um tausend Jahr' zurück sind.

    Sind zurück um tausend Jahre
In moderner Weltgesittung –
Meine eignen Ostbarbaren
Sind es nur um ein Jahrhundert.

     Zögernd, fast verzagt, verließ ich
Den geweihten Boden Frankreichs,
Dieses Vaterlands der Freiheit
Und der Frauen, die ich liebe.

    Mitten auf dem Pont-d'Espagne
Saß ein armer Spanier. Elend
Lauschte aus des Mantels Löchern,
Elend lauschte aus den Augen.

    Eine alte Mandoline
Kneipte er mit magern Fingern;
Schriller Misslaut, der verhöhnend
Aus den Klüften wiederhallte.

    Manchmal beugt' er sich hinunter
Nach dem Abgrund und er lachte,
Klimperte nachher noch toller,
Und er sang dabei die Worte:

    »Mitten drin in meinem Herzen
Steht ein kleines güldnes Tischchen,
Um das kleine güldne Tischchen
Stehn vier kleine güldne Stühlchen.

    »Auf den güldnen Stühlchen sitzen
Kleine Dämchen, güldne Pfeile
Im Chignon; sie spielen Karten,
Aber Clara nur gewinnt.

    »Sie gewinnt und lächelt schalkhaft,
Ach, in meinem Herzen, Clara,
Wirst du jedesmal gewinnen,
Denn du hast ja alle Trümpfe.« –

    Weiter wandelnd, zu mir selber
Sprach ich: Sonderbar, der Wahnsinn
Sitzt und singt auf jener Brücke,
Die aus Frankreich führt nach Spanien.

    Ist der tolle Bursch das Sinnbild
Vom Ideentausch der Länder?
Oder ist er seines Volkes
Sinnverrücktes Titelblatt?

    Gegen Abend erst erreichten
Wir die klägliche Posada,
Wo die Ollea-Potrida
Dampfte in der schmutz'gen Schüssel.

    Dorten aß ich auch Garbanzos,
Groß und schwer wie Flintenkugeln,
Unverdaulich selbst dem Deutschen,
Der mit Klößen aufgewachsen.

    Und ein Seitenstück der Küche
War das Bett. Ganz mit Insekten
Wie gepfeffert – Ach! die Wanzen
Sind des Menschen schlimmste Feinde.

    Schlimmer als der Zorn von tausend
Elephanten ist die Feindschaft
Einer einz'gen kleinen Wanze,
Die auf deinem Lager kriecht.

    Musst dich ruhig beißen lassen –
Das ist schlimm – Noch schlimmer ist es
Wenn du sie zerdrückst; der Missduft
Quält dich dann die ganze Nacht.

     Ja, das Schrecklichste auf Erden
Ist der Kampf mit Ungeziefer,
Dem Gestank als Waffe dient –
Das Duell mit einer Wanze!